Wie bereits mehrfach angekündigt, möchte ich auch auf unserem Blog einen Eintrag dem derzeit sehr kontrovers diskutierten Thema Glyphosat widmen. Aktuell geht es für diesen Wirkstoff innerhalb der EU ums "Überleben" - die Zulassung läuft mit Ende Juni aus. Bis heute konnte man sich nicht auf eine Verlängerung der Glyphosat-hältigen Pflanzenschutzmittel einigen.
Warum sorgt dieser Wirkstoff für derartige Diskussionen zwischen NGOs und Naturschutzorganisationen auf der einen, und Vertretern der Industrie und der Landwirtschaft auf der anderen Seite?
Als erstes sollte man sich die Frage stellen: Was ist Glyphosat eigentlich?
Glyphosat ist ein früher von Monsanto patentierter Wirkstoff der in zahlreichen nicht selektiven Breitbandherbiziden vertreten ist, der berühmteste davon ist immer noch Round Up. Dieser Markenname der Firma Monsanto findet sich immer noch im Baumarkt und ist, anwendungsfertig gemischt, für jede Privatperson käuflich erwerbbar. Glyphosat blockiert ein Enzym in der Pflanze, das für die Proteinsynthese zuständig ist. Mit wenigen Ausnahmen ist davon jede grüne Pflanze betroffen, der Werbespruch aus den 80ern "Round Up macht Schluss mit lästigem Grün" beschreibt bis heute die Funktionsweise dieses Pflanzengifts.
Welche Bedeutung haben Glyphosate für die Landwirtschaft?
In der österreichischen Landwirtschaft werden glyphosathaltige Mittel NACH der Ernte zur Bekämpfung von Problemunkräutern angewendet, außerdem kommt dem Totalherbizid eine wesentliche Bedeutung im Frühjahr vor der Aussaat von Hackfrüchten bei Mulch- oder Direktsaaten zu. In vielen anderen europäischen Ländern wird der Wirkstoff außerdem zur sogenannten Sikkation verwendet - die gezielte Abtötung von Kulturpflanzen zur Ernteerleichterung. Außerdem wird Glyphosat mehrmals jährlich und in hohen Dosen bei gentechnisch veränderten Mais- und Sojabeständen eingesetzt, die resistent gegen Glyphosat sind.
Wie gefährlich ist Round Up für den Menschen und die Umwelt tatsächlich?
Dazu gibt es unterschiedliche Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen. Großes Aufsehen erreichte eine Studie im Auftrag der WHO die letztlich zu der Einstufung "wahrscheinlich Krebserregend" (und damit in einer Kategorie wie Kaffee, Haarfärbemittel oder rotes Fleisch) führte, nur ein paar Monate später kam eine ebenfalls von der WHO beauftragte Studie zu dem Ergebnis: "nicht Krebserregend". Warum diese große Diskrepanz in der Beurteilung? Die erste Studie ging von einer Dosierung aus, die einen Chemiker zu folgender Aussage bewegte: "Wenn man jeden Tag eine Badewanne voll Glyphosat anfüllt und darin badet, und das über einen längeren Zeitraum so handhabt, dann ist Glyphosat eventuell krebserregend". Diese zynische Aussage könnte man auch so lesen: Die eingesetzten Mengen Glyphosat in diesem Versuch sind völlig realitätsfremd. Die Studie von vor ein paar Wochen mit dem Ergebnis "nicht krebserregend" lässt sich folgend zusammenfassen: "Wird Glyphosat in der vorgeschriebenen Weise eingesetzt, so ist es nicht krebserregend".
Zahlreiche Studien berichten von einem Rückgang des Bodenlebens nach Glyphosateinsatz und geringeren Regenwurmbesatz, Beobachtungen die man ebenso bei jedem anderen Eingriff in den Boden mechanischer oder chemischer Art machen kann.
Hier eine richtige Meinung zu bilden, ist äußerst schwierig - zuviele unterschiedliche Interessen fließen in die Studien ein. Es ist offensichtlich, dass hohe Dosen Glyphosat (oder die Kombination mit anderen Wirkstoffen) zu schweren Missbildungen bei Menschen und Tieren führen kann, seit Einführung der sogenannten "Round-Up-Ready"-Sorten von Mais und Soja kommt es vor allem in Südamerika immer wieder zu grausamen Bildern von missgebildeten Babys. Auch aus Norddeutschland kamen Bilder von missgebildeten Kälbern von Rinderzuchtbetrieben an die Öffentlichkeit.
Warum kommt es zu derart schwerwiegenden Fällen?
Beide Fälle, sowohl das menschliche als auch das Leid des Tieres, sind höchstwahrscheinlich die Folge einer Aufschaukelung.
Die Fälle in Südamerika sind eine direkte Folge der genmanipulierten Soja- und Maissorten die, von Glyphosat unbeeindruckt, pro Jahr bis zu 10 x mit dem Breitbandherbizid, teilweise auch schon in Kombination mit anderen Wirkstoffen aufgrund von Resistenzen der Unkräuter, behandelt werden. Im schlechtesten (und häufigen) Fall noch von einem Sprühflugzeug aus und damit in seiner Verteilungsgenauigkeit - nunja - großzügig. Da kanns schonmal passieren dass der benachbarte Kindergarten oder die Siedlung noch etwas abbekommt. Ich glaube nicht dass jemand freiwillig 10 mal im Jahr eine Dusche Pflanzenschutzmittel abbekommen will, gefragt wird die Bevölkerung in Südamerika leider nicht. Dass diese Art der "Produktion" eine Sackgasse ist, haben inzwischen auch viele Landwirte festgestellt. Stärker werdende Resistenzen auf der einen Seite und gehemmtes Wachstum bei den Kulturpflanzen auf der anderen Seite sind nur zwei Aspekte die zu großen wirtschaftlichen und ökologischen Problemen führen.
Da der südamerikanische Soja aber zu einem beachtlichen Teil als Eiweißfutter nach Europa gelangt, stehen auch wir in der Verantwortung.
So sind auch die Fälle in Norddeutschland zu erklären: Mit Glyphosatrückständen behafteter Gen-Soja kommt in Europa als Futtermittel zu den Tieren, je höher die Leistungen der Nutztiere sein sollen, umso höher der Kraftfuttereinsatz, umso höher die Belastung mit Pflanzenschutzmittelresten. Als zweite Säule kommt zu dem belasteten Sojaschrot noch Getreide dass, je weiter in den Norden von Europa man kommt umso wahrscheinlicher, mit Glyphosat zur Sikkation behandelt wurde. Hier gibt es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in Europa. Nimmt man Deutschland als Beispiel findet man die Sikkation in Bayern praktisch gar nicht, in Norddeutschland wäre aufgrund der Witterung eine Ernte aber oft gar nicht möglich. Die Kombination aus Gen-Soja und Getreideschrot nach Sikkation bei extrem hohen Kraftfuttergaben führt zu Fruchtbarkeitsproblemen.
Warum zum Teufel hab ich Glyphosat in meinem Bier?
Auch hier wieder: Sikkation. Sommerbraugerste aus Norddeutschland, England oder anderen nördlichen Ländern wird, um die Druschreife zu beschleunigen, mit Glyphosat behandelt. Da das Mittel systemisch wirkt, also in die Pflanze eindringt, finden sich Rückstände im Gerstenkorn und damit auch im Bier.
Und in Österreich?
In Österreich ist die Sikkation von Nahrungs- und Futtermitteln nicht erlaubt, der Wirkstoff Glyphosat darf nur NACH der Ernte bis zur Aussaat im Ackerbau angewendet werden, einige wenige glyphosathältige Herbizide haben eine Zulassung bis wenige Tage nach der Aussaat (aber natürlich VOR Auflaufen der Kulturpflanze, die würde man dabei auch abtöten wenn sie schon ein Keimblatt an der Oberfläche hätte). Da auch keine genmanipulierten Sämereien in Österreich zugelassen sind, spielt Glyphosat bei keiner Ackerkultur nach Auflaufen der Kulturpflanze eine Rolle. So werden Rückstände des Pflanzengiftes an den geernteten Rohstoffen ausgeschlossen. Wenn also in einem österreichischen Bier Rückstände festgestellt werden (übrigens laut Test des Konsument bei keinem einzigen österreichischen Bier meßbar), dann stammen diese mit höchster Wahrscheinlichkeit von Rohstoffen die importiert wurden.
Die größte Bedeutung hat das Totalherbizid in Österreich in erosionsgefährdeten Gebieten, die nach speziellen Begrünungen im Frühjahr in Direktsaat die Kulturpflanze ohne Bodenbearbeitung aussäen und mit Glyphosat die stehenden Begrünungen abtöten. Durch die Durchwurzelung der Begrünung und die fehlende Bodenlockerung wird die Erosion in einem Höchstmaß minimiert. Ohne Glyphosat wäre derartiger Erosionsschutz (hier möchte ich auch auf einen früheren Blogeintrag verweisen: Maisversuch 2016 aus ökologischer Sicht) nicht oder nur schwer möglich.
Und was sagt der Blogschreiber?
Ein absolutes Ende von Glyphosat in ganz Europa hätte nicht nur positive Auswirkungen auf die Umwelt, andere (deutlich teurere) Totalherbizide sind am Markt verfügbar und bestimmt nicht weniger toxisch. Ein sorgfältiger, sensibler Umgang und gezielter Einsatz hat durchaus auch positive Aspekte für die Umwelt. Auch hier möchte ich noch einmal auf einen früheren Blogeintrag verweisen, im Beitrag "Maisversuch 2016 - eine versuchte ökologische Gegenüberstellung der Varianten" stehen in einer konventionellen Variante ohne Glyphosat 52 Liter Diesel und 175kg klimarelevanter Kohlenstoffaustrag aus dem Boden, nur 12 Liter Diesel und praktisch kein Kohlenstoffaustrag bei der No-Till-Variante gegenüber, bei der einmalig bis zu 4 Liter Glyphosat angewendet werden. Und das ausschließlich bei Mais im Frühjahr, also jedes 4. Jahr am selben Feld.
Zum Vergleich: Eine Soja-Monokultur in Brasilien hat pro Jahr bis zu 40 Liter Glyphosat pro Hektar und Jahr. Jährlich wiederkehrend. Vergleicht man eine 4-jährige Fruchtfolge mit eben einer solchen Monokultur, so stehen in 4 Jahren in Österreich 4 Liter Glyphosat 160 Liter in Südamerika gegenüber.
Und weil ich, wie jeder andere auch, keine systemischen Pflanzenschutzmittelreste auf Nahrungsmitteln brauche, sollte man eine Verlängerung der Zulassung an ein Sikkationsverbot bei Nahrungs- und Futtermitteln binden. Auch die ohnehin stark umstrittene Zulassung für Privatanwender ohne Pflanzenschutzausbildung gehört aufgehoben, ein Gift in der Hand von Laien ist gefährlich.
Sollte es tatsächlich zu keiner Verlängerung von Glyphosat kommen, wird sich die Landwirtschaft darauf einstellen, in dem Falle gilt es aber auch die Importe von Gen-Soja zu hinterfragen. Eine vernünftige europäische Eiweißstrategie wäre aus meiner Sicht ökologisch weitaus wertvoller als ein Verbot eines einzelnen Wirkstoffes, vor allem wenn man damit produzierte Lebens- und Futtermittel weiterhin in großen Mengen in die Europäische Union importiert.
Zum Abschluss möchte ich noch einen Facebookeintrag eines Kollegen verlinken, der sich vor allem dem Aspekt des Erosionsschutzes widmet und dabei die Meinung vieler Landwirte in emotionale Worte gefasst hat.
Eines noch zu der Form dieses Eintrages: Ich habe bewusst auf Bilder verzichtet und ja, der Eintrag ist sehr lang. Ein derart komplexes Thema lässt sich nicht kürzer abhandeln und mehrere Einträge will ich diesem Thema nicht widmen.
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Thomas (Montag, 27 Juni 2016 23:12)
Wenn es keine verlängerung der zulassung gibt, wirkt sich das auch auf verfügbarkeit von round up im baumarkt aus?
Sehr interessanter artikel im übrigen!
Franz (Montag, 27 Juni 2016 23:26)
Ja, von der Zulassungsverlängerung ist auch das im Baumarkt erhältliche Round Up betroffen. Tatsächlich sehen die meisten Entwürfe auch im Fall einer Verlängerung für Landwirtschaft und Industrie (die ÖBB ist zB in Österreich der größte Abnehmer von Glyphosaten) ein Verbot der im Baumarkt erhältlichen Glyphosatfertigmischungen vor. Grundsätzlich läuft die Zulassung mit 30. Juni 2016 aus, wie es im Fall einer negativen oder ergebnislosen Abstimmung weitergeht weiß bis heute niemand.
Treena Barrio (Freitag, 03 Februar 2017 15:45)
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